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Ticken wir noch richtig?

Last updated on 25. September 2019

Wie der Alltag unsere innere Uhr aus dem Rhythmus bringt.

(Bild iStock)

Es ist allgemein bekannt, dass der menschliche Körper eine „innere Uhr“ besitzt. Eigentlich ist das nicht ganz richtig. Unser Körper besitzt Milliarden kleine „Uhrwerke“.

Mit der Verleihung des Medizin-Nobelpreises 2017 für neue Erkenntnisse zu unseren „inneren Uhren“ wurde das Thema der Chronobiologie in einen neuen Fokus von Forschung und Medizin gerückt. Allerdings ist die Chronobiologie (vgl. Chronos wurde als der Gott der Zeit in der griechischen Antike bezeichnet) keine neue Wissenschaft. Während in der traditionellen chinesischen Medizin das Thema in Form einer „Organuhr“ schon seit tausenden von Jahren eine wichtige Rolle spielt, gibt es im europäischen Raum Aufzeichnungen über erste experimentelle Versuche im 18. Jahrhundert. 

Bei diesen Untersuchungen stellte der französische Astronom Jacques d’Ortous de Mairan fest, dass sich die Blätter von Mimosen tagsüber in Richtung Sonne öffnen und sich nachts schließen, auch wenn sie durchgehend in einem dunkeln Raum ohne Sonnenlicht stehen. Von da an fasste das Themengebiet der Chronobiologie, das sich konkret mit der zeitlichen Organisation von körpereigenen Prozessen und dem sich wiederholenden Verhaltensmuster von Organismen auseinandersetzt, in Europa Fuß.

Neue Erkenntnisse und erste identifizierte Gene 

Ähnliche Untersuchungen wurden in den 1960er Jahren mit Menschen in Räumen ohne Tageslicht oder Kontakt zur Außenwelt durchgeführt. Dadurch konnte gezeigt werden, dass Menschen ebenso eine „innere Uhr“ besitzen, die wichtige Körperfunktionen, wie zum Beispiel Hormonproduktion, Körpertemperatur oder Stoffwechsel steuert.

Mittlerweile ist man in jahrzehntelanger Forschung einigen entscheidenden Genen auf die Schliche gekommen, die an unserem inneren Uhrwerk beteiligt sind. Die Entdecker Seymor Benzer und Ronald Konopka tauften das erste gefundene Gen „period“ 1 – also Zeitraum. 1984, gut zehn Jahre später, fanden die Nobelpreisträger von 2017 Hall, Rosbash und Young einen Weg das Gen zu isolieren. Ein weiteres Jahrzehnt später entdeckte Young zwei weitere wichtige Gene, welche die Tag-Nacht-Rhythmen unseres Körpers in jeder Zelle steuern und nannte sie „timeless“ 2 – zeitlos und „doubletime“ 3 – was so viel bedeutet wie „doppelt so schnell“

Die menschliche „inneren Uhr“ ist viel komplexer als gedacht. Billionen „kleine innere Uhren“ steuern unseren biologischen Rhythmus. (Bild iStock)

Dadurch kam man dem Verständnis über die „innere Uhr“ näher und erkannte, dass es sich um Milliarden kleine „innere Uhren“ handelt, nämlich in jeder einzelnen Zelle, die so von ihnen gesteuert werden. Sie sind ständig miteinander im Austausch, um einen gemeinsamen Takt zu finden. Aber die Suche nach weiteren Erkenntnissen zu diesem Thema und den komplexen Vorgängen in unserem Körper, ist noch lange nicht beendet. 

Arbeiten wir im Alltag gegen unsere „inneren Uhren“?

Obwohl die Existenz unseres inneren Zeit-Rhythmus bewiesen – wenn auch noch nicht vollständig geklärt – ist, gibt uns der Alltag oft nicht die Möglichkeit darauf zu hören. So haben zum Beispiel Untersuchungen gezeigt, dass ohne Einfluss von außen unser Körper ungefähr um 7.30 Uhr aufhört Melatonin (das Hormon das für unseren Tiefschlaf verantwortlich ist) zu produzieren. Allerdings sind viele Menschen um diese Uhrzeit, zu der unser Körper gerade beginnen würde richtig aufzuwachen, schon längst an ihrem Arbeitsplatz oder auf dem Weg dorthin. Auch Kinder sind um diese Zeit schon unterwegs zum Schulunterricht. 

Eine weitere Belastung für unsere tagesperiodischen Rhythmen ist, dass Licht diese synchronisieren kann. So stören zum Beispiel künstliche Lichtquellen wie LED-Lampen und blaues Licht von Bildschirmen von PC, Smartphones oder Tablets unsere biologische Uhr. Trotz dieser bekannten Tatsache, verzichten dennoch viele nicht auf den obligatorischen Blick aufs Smartphone oder das Ansehen einer Serie am Tablet kurz vorm Schlafen gehen, was unsere Milliarden „inneren Zeitmesser“ maßgeblich aus dem Gleichgewicht bringt. Dadurch, dass man in seinem Alltag oft nicht Rücksicht auf seine „innere Uhr“ nehmen kann, können sich viele Probleme ergeben. Von Schlafstörungen, über Stoffwechselprobleme, bis zu erhöhtem Krebsrisiko bei Schichtarbeitern, ist vieles möglich. Schon der vorwiegende Aufenthalt in geschlossenen Räumen wirkt störend auf unseren inneren Rhythmus.  Die Langzeitauswirkungen dieses Handelns, vor allem für Kinder, bleiben eine Frage der Zukunft. 

Maximillian Moser, Professor an der Medizinischen Universität Graz und Autor des Buches Vom richtigen Umgang mit der Zeit: Die heilende Kraft der Chronobiologie sagt dazu: „Es ist immer schwieriger geworden dem biologischen Rhythmus zu folgen, da er durch die Rationalisierung der Arbeitswelt, moderne technische Möglichkeiten und den Versuch, die Nacht zum Tag zu machen überlagert wird.“ Dabei führt dem natürlichen Zeit-Rhythmus zu folgen, nachweislich zu einem besseren und erholsameren Schlaf, steigert die Leistungsfähigkeit, fördert die Gesundheit und senkt das Unfallrisiko im Alltag.

Ein weiterer Aspekt den die Medizin in diesem Zusammenhang ins Auge gefasst hat, ist die Beeinflussung des Wirkspektrums verschiedener Medikamente. Da unsere Leber, die für die Wirkung und Umwandlung von Medikamenten im Körper eine wichtige Rolle spielt, direkt vom Tag-Nacht-Zyklus gesteuert wird, können gestörte „innere Uhren“ zu veränderten Wirkprofilen führen. Dies könnte einen Wirkungsverlust oder unkontrollierbare Nebenwirkungen diverser Medikamente zur Folge haben. Vielleicht könnte man durch die Berücksichtigung des Zeitpunktes der Einnahme auch eine bessere Wirkung erreichen.

Dem Rhythmus der natürlichen „inneren Uhren“ ohne Störungen von außen zu folgen wirkt sich förderlich auf Gesundheit und Wohlbefinden aus (Bild istock)

Welcher „Chronotyp“ man selbst ist, also ob man eher gerne früh aufsteht (Lerche) oder es bevorzugt lange auf zu bleiben (Eule), ist genetisch bestimmt. Hier bietet das Leibnitz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund einen Selbsttest zur Chronotypen-Bestimmung an.

Wer seinen Chronorhythmus kennt und versucht seine Aktivitäten ein wenig danach zu richten, kann seine Leistung und Kreativität dadurch verbessern. Lerchen fällt es zum Beispiel leichter, morgens analytisch zu denken und sind abends dafür kreativer, bei Eulen ist das eher umgekehrt. 

Die Tatsache, dass dem Thema unseres natürlichen Zeit-Rhythmus in Medizin und Forschung immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird, sollte uns daran erinnern, öfter dem natürlichen Rhythmus in unserem Inneren zu lauschen, anstelle dem lauten Alltag und Informationen von außen. 

Quellen:

1)Reddy P, Zehring WA, Wheeler DA, Pirrotta V, Hadfield C, Hall JC,and Rosbash M.: Molecular analysis of the period locus in Drosophila melanogaster and identification of a transcript involved in biological rhythms (1984). Cell, Oct;38(3):701-10.

2)Vosshall LB, Price JL, Sehgal A, Saez L, and Young MW: Block in nuclear localization of period protein by a second clock mutation, timeless (1994). Science, Mar 18;263(5153):1606-9.

3)Young MW: The molecular control of circadian behavioral rhythms and their entrainment in Drosophila (1998). Annual Review in Biochemistry:67:135-52

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