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Zeitlose Werte: „Die Bürgschaft“ von Friedrich Schiller

Schiller-Denkmal vor dem Berliner Konzerthaus am Gendarmenmarkt (Bild: iStock 1152764924/Olivier DJIANN)

Friedrich Schiller, der mit vollem Namen Johann Christoph Friedrich Schiller hieß, ist einer der bedeutendsten deutschen Dramatiker und Lyriker. Schiller war eigentlich als Sohn eines Wundarztes selbst promovierter Arzt. Jedoch soll er bereits im Alter von 13 Jahren seine ersten Theaterstücke geschrieben haben. Zwei dieser Stücke waren „Absalon“ und „Die Christen“, die jedoch beide nicht mehr erhalten sind.

Inspiriert wurde Schiller Zeit seines Lebens von den Werken von Plutarch, Shakespeare, Voltaire, Rousseau und Goethe. Letzterer sollte über viele Jahre sein wertvollster Freund werden und ihre Werke zählen zu den bedeutendsten der „Weimarer Klassik“. Zu Schillers berühmtesten Werken zählen „Die Räuber“, „Don Karlos“ oder „Wilhelm Tell“.

Während Schiller in seinen jungen Jahren mit der Französischen Revolution zu sympathisieren schien, änderte sich seine Ansicht, als er den „Umschlag in die freiheits- und menschenverachtende Schreckensherrschaft“ sah und verabscheute die späteren Massenhinrichtungen im revolutionären Frankreich.

Freiheit war in Schillers Werken immer ein wichtiges Element und für ihn war Schönheit gleich „Freiheit in der Erscheinung“. Zeit seines Lebens dachte er über „wahre politische Freiheit“ nach und bezeichnete, dies zu erreichen, als das „vollkommenste aller Kunstwerke“. Nach seiner Überzeugung war die Voraussetzung dafür jedoch der „gewaltfreie Übergang zu einem vernünftigen Staat“ und somit das Gegenteil, was Schiller in der Französischen Revolution und der anderen progressiven Politik geschehen sah.

In seinen späteren Werken versuchte er durch einen Wechsel von Idyllik und Dramatik den „ästhetischen Menschen“ zu formen, Gefühle und Verstand zu verbinden und Tugenden und schlechte Taten klar darzustellen. Manche vermuten, dass er damit den Zusehern ein „Gegenprogramm“ zu den Geschehnissen der Französischen Revolution zeigen wollte, was er selbst als das Wirken von „rohen Kräften“ bezeichnete.

In seiner bekanntesten Ballade „Die Bürgschaft“ zeigt Schiller die Kraft der Tugenden von Loyalität, Freundschaft und Selbstlosigkeit auf. Dabei ist die Kraft dieser aufrichtigen Werte so stark, dass sie sogar das Herz eines kaltblütigen Tyrannen bewegen. Die Ballade, die Schiller im Sommer 1798 schrieb, umfasst 20 Strophen und wurde zu einem zeitlosen Klassiker.

Die Bürgschaft

Zu Dionys, dem Tyrannen, schlich

Damon, den Dolch im Gewande,

Ihn schlugen die Häscher in Bande,

»Was wolltest du mit dem Dolche? sprich!«

Entgegnet ihm finster der Wüterich.

»Die Stadt vom Tyrannen befreien!«

»Das sollst du am Kreuze bereuen.«

»Ich bin«, spricht jener, »zu sterben bereit

Und bitte nicht um mein Leben:

Doch willst du Gnade mir geben,

Ich flehe dich um drei Tage Zeit,

Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit;

Ich lasse den Freund dir als Bürgen,

Ihn magst du, entrinn‘ ich, erwürgen.«

Da lächelt der König mit arger List

Und spricht nach kurzem Bedenken:

»Drei Tage will ich dir schenken;

Doch wisse, wenn sie verstrichen, die Frist,

Eh‘ du zurück mir gegeben bist,

So muss er statt deiner erblassen,

Doch dir ist die Strafe erlassen.«

Und er kommt zum Freunde: »Der König gebeut,

Dass ich am Kreuz mit dem Leben

Bezahle das frevelnde Streben.

Doch will er mir gönnen drei Tage Zeit,

Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit;

So bleib du dem König zum Pfande,

Bis ich komme zu lösen die Bande.«

Und schweigend umarmt ihn der treue Freund

Und liefert sich aus dem Tyrannen;

Der andere ziehet von dannen.

Und ehe das dritte Morgenrot scheint,

Hat er schnell mit dem Gatten die Schwester vereint,

Eilt heim mit sorgender Seele,

Damit er die Frist nicht verfehle.

Da gießt unendlicher Regen herab,

Von den Bergen stürzen die Quellen,

Und die Bäche, die Ströme schwellen.

Und er kommt ans Ufer mit wanderndem Stab,

Da reißet die Brücke der Strudel herab,

Und donnernd sprengen die Wogen

Dem Gewölbes krachenden Bogen.

Und trostlos irrt er an Ufers Rand:

Wie weit er auch spähet und blicket

Und die Stimme, die rufende, schicket.

Da stößet kein Nachen vom sichern Strand,

Der ihn setze an das gewünschte Land,

Kein Schiffer lenket die Fähre,

Und der wilde Strom wird zum Meere.

Da sinkt er ans Ufer und weint und fleht,

Die Hände zum Zeus erhoben:

»O hemme des Stromes Toben!

Es eilen die Stunden, im Mittag steht

Die Sonne, und wenn sie niedergeht

Und ich kann die Stadt nicht erreichen,

So muß der Freund mir erbleichen.«

Doch wachsend erneut sich des Stromes Wut,

Und Welle auf Welle zerrinnet,

Und Stunde an Stunde ertrinnet.

Da treibt ihn die Angst, da fasst er sich Mut

Und wirft sich hinein in die brausende Flut

Und teilt mit gewaltigen Armen

Den Strom, und ein Gott hat Erbarmen.

Und gewinnt das Ufer und eilet fort

Und danket dem rettenden Gotte;

Da stürzet die raubende Rotte

Hervor aus des Waldes nächtlichem Ort,

Den Pfad ihm sperrend, und schnaubert Mord

Und hemmet des Wanderers Eile

Mit drohend geschwungener Keule.

»Was wollt ihr?« ruft er vor Schrecken bleich,

»Ich habe nichts als mein Leben,

Das muss ich dem Könige geben!«

Und entreißt die Keule dem nächsten gleich:

»Um des Freundes willen erbarmet euch!«

Und drei mit gewaltigen Streichen

Erlegt er, die andern entweichen.

Und die Sonne versendet glühenden Brand,

Und von der unendlichen Mühe

Ermattet sinken die Kniee.

»O hast du mich gnädig aus Räubershand,

Aus dem Strom mich gerettet ans heilige Land,

Und soll hier verschmachtend verderben,

Und der Freund mir, der liebende, sterben!«

Und horch! da sprudelt es silberhell,

Ganz nahe, wie rieselndes Rauschen,

Und stille hält er, zu lauschen;

Und sieh, aus dem Felsen, geschwätzig, schnell,

Springt murmelnd hervor ein lebendiger Quell,

Und freudig bückt er sich nieder

Und erfrischet die brennenden Glieder.

Und die Sonne blickt durch der Zweige Grün

Und malt auf den glänzenden Matten

Der Bäume gigantische Schatten;

Und zwei Wanderer sieht er die Straße ziehn,

Will eilenden Laufes vorüber fliehn,

Da hört er die Worte sie sagen:

»Jetzt wird er ans Kreuz geschlagen.«

Und die Angst beflügelt den eilenden Fuß,

Ihn jagen der Sorge Qualen;

Da schimmern in Abendrots Strahlen

Von ferne die Zinnen von Syrakus,

Und entgegen kommt ihm Philostratus,

Des Hauses redlicher Hüter,

Der erkennet entsetzt den Gebieter:

»Zurück! du rettest den Freund nicht mehr,

So rette das eigene Leben!

Den Tod erleidet er eben.

Von Stunde zu Stunde gewartet‘ er

Mit hoffender Seele der Wiederkehr,

Ihm konnte den mutigen Glauben

Der Hohn des Tyrannen nicht rauben.«

»Und ist es zu spät, und kann ich ihm nicht,

Ein Retter, willkommen erscheinen,

So soll mich der Tod ihm vereinen.

Des rühme der blut’ge Tyrann sich nicht,

Dass der Freund dem Freunde gebrochen die Pflicht,

Er schlachte der Opfer zweie

Und glaube an Liebe und Treue!«

Und die Sonne geht unter, da steht er am Tor,

Und sieht das Kreuz schon erhöhet,

Das die Menge gaffend umstehet;

An dem Seile schon zieht man den Freund empor,

Da zertrennt er gewaltig den dichten Chor:

»Mich, Henker«, ruft er, »erwürget!

Da bin ich, für den er gebürget!«

Und Erstaunen ergreifet das Volk umher,

In den Armen liegen sich beide

Und weinen vor Schmerzen und Freude.

Da sieht man kein Auge tränenleer,

Und zum Könige bringt man die Wundermär‘;

Der fühlt ein menschliches Rühren,

Lässt schnell vor den Thron sie führen,

Und blicket sie lange verwundert an.

Drauf spricht er: »Es ist euch gelungen,

Ihr habt das Herz mir bezwungen,

Und die Treue, sie ist doch kein leerer Wahn,

So nehmet auch mich zum Genossen an,

Ich sei, gewährt mir die Bitte,

In eurem Bunde der dritte.«

Friedrich von Schiller (1759 – 1805)

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